Traditionsbewusstsein

Seit 1990 habe ich an fast allen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung (bis 1994) beziehungsweise danach des Stadtrats teilgenommen.
Die Tagungen fanden mit Ausnahme der Sondersitzungen stets am ersten Donnerstag des jeweiligen Monats statt. Die Wahl des Wochentags hatte ich bislang für einen Zufall gehalten. Nun schaute ich wieder einmal einen Kalender von 1838 an, den ich Anfang der Neunziger Jahre antiquarisch in Meißen erworben hatte. Die Titelseite ist links abgebildet.Ein wahres Schmuckstück, oder?
Für "October" fand sich auf der Seite mit allgemeinen Erklärungen die folgende Übersicht der "Sessionstage in Freyberg":
Wie man verblüfft feststellt, trafen sich die Stadt-
verordneten (die den heutigen Stadträten entsprachen) vor 172 Jahren auch immer donners-
tags. Offensichtlich waren sie sogar fleißiger, weil die Zusammenkünfte jede Woche stattfanden. Dafür begannen sie freilich auch erst 7 Uhr abends,
was einen anschließenden Umtrunk sehr wahrscheinlich macht. Möglicherweise sind so die Wahl des Tags, an dem es bei den Beratungen donnert und die folgende Versöhnung beim Wein oder guten Freiberger Bier die wahre Tradition, die heute nicht mehr so zelebriert wird (löbliche Ansätze zur Wiederbelebung verebbten vor der Jahrtausendwende). Möglicherweise reicht der Brauch sogar bis zu den Anfängen der Besiedlung zurück, womit sich ein Bezug zur 850-Jahr-Feier ergäbe. Die Hintergründe müssen in weiteren Forschungsarbeiten erhellt werden, wozu ich den geneigten Leser heute am 11.11.2010 ermutige. a.b.
Nachtrag ohne Spaß: Die Treffen eines Frauenvereins sind für 1838 erstaunlich.

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